Donnerstag, 16. Oktober 2008

Klöntal, Vorauen - Schwanden (15. Oktober 2008)




Wie ich in Klöntal, Vorauen aus dem Postauto steige, steht der Helikopter schon da. Aus dem UFO kommen zwei Herren im Anzug und möchten von mir fotografiert werden. Sie seien von Beromünster hierher geflogen. Wir sind die ersten Gäste im Gasthaus. Eine fette Katze versperrt Kyra den Eingang. Diese nähert sich ihr vorsichtig, doch jene verteidigt ihr Revier mit Buckeln und Fauchen. Die Bardame befördert sie schnell hinter die Theke. Zur Schale Gold (wie man früher einem Milchkaffee sagte) nehme ich natürlich eine Glarner Pastete mit Zwetschenfüllung, nämlich ein Beggeli. Also gestärkt geht's dann auf dem rechten Ufer ostwärts. Der romantische Weg führt durch Wald und Fels und auch am Salomon Gessner-Denkmal vorbei. Immer wieder bewundere ich die Spiegelungen der hohen Berge im See. Das Ufer selber ist noch im Schatten, zu hoch sind die Hänge links und rechts, wo es zum Vrenelis Gärtli hinauf geht. Froh bin ich um das Bänkli auf dem Seedamm, ich habe mehr als anderthalb Stunden für die Seelänge gebraucht. Zudem habe ich etwas wenig geschlafen. Nach der Pause steige ich auf die Schwammhöhe, mit 1095 Metern der höchste Punkt der heutigen Etappe. Vor der Panoramatafel entdecke ich einen Kollegen aus Winterthur. Da wir uns schon lange nicht mehr gesehen haben, identifizieren wir uns zuerst. Die Aussicht ist prächtig: Noch einmal liegt der ganze See vor einem, und links und rechts die herbstfarbenen Berge. Der Weg nach Glarus, sechshundert Meter tiefer gelegen, ist trotz der Steile angenehm. Das Laub raschelt, und es macht Spaß, es noch mehr zum Rascheln zu bringen. Auf der riesigen Lichtung Vorderer Saggberg, einer vom Vieh schon verlassenen Alp, futtere ich auf einem sonnigen Bänkli mein Picknick, und auch Kyra kommt nicht zu kurz. Im Stotzigen wird wacker geholzt, und es duftet nach frischem Harz. Ein Holzlaster transportiert Unmengen Baumstämme ab. Weiter unten treffe ich auf das angekündigte Bleiche Quartier, wo früher Stoffe gebleicht wurden und heute noch Strom produziert wird. Nächster Orientierungspunkt ist die reformierte Kirche von Glarus, ein beeindruckender neugotischer Bau, neben dem die etwas klotzige katholische Fridolinskirche steht, welche ich besuche. Kyra muss draußen warten, ich hoffe, dass sie niemand klaut. Drinnen zünde ich ein Kerzli für die kranke Tante meiner Frau an. Die (gotische?) Marienstatue und das moderne Fridli-Fenster gefallen mir. Weiter in der Stadt entdecke ich eine Buchhandlung, wo ich eine Neuausgabe von Kaspar Freulers Anna Göldin-Roman bestelle, und ich genieße Sonne und Kaffee vor dem Café City. Natürlich will ich auch noch den Landsgemeinde-Platz sehen, wo mein Urgroßvater ein Restaurant hatte – das ich allerdings nicht finde. Wahrscheinlich existiert es schon lange nicht mehr.  Dafür ist der Platz voll von Autos, und ein Kinderzirkus hält Hof. Die Herbstsonne heizt immer mehr und ich entledige mich zunehmend meiner Klamotten. Soll ich noch nach Schwanden weiter wandern? Wäre ein schöner Abschluss, denn dort ist meine Mutter aufgewachsen. Der Fridli-Weg führt der Linth entlang. Ich laufe der Sonne entgegen, die im Südwesten steht. Das Wasser quirlt und glitzert, dass es eine Freude ist; die Bäume bekennen Farbe, als wären sie in Colorado. Spaziergänger, Hündeler und Velofahrer sind unterwegs: Sie genießen die Sonne. Immer wieder wird man an die industrielle Vergangenheit des Kantons erinnert. In Schwanden sind neue Industrien im Kommen: Kunststoff Schwanden steht in riesigen Lettern auf dem gigantischen Kasten. Mit einem andern Hund nimmt Kyra ein Bad in der Linth, doch bald rufe ich sie wieder heraus, bevor sie von der Strömung mitgerissen wird. In Schwanden versuche ich Spuren der Kindheit meiner Mutter zu entdecken. Wo stand wohl die Bäckerei ihrer Eltern? Die goldenen Zahlen des Kirchenuhr glänzen, das Kupfer des Braukessels der Brauerei Adler ebenfalls, alte Wirtshäuser stehen an der Hauptstraße, hier ist ja die Abzweigung ins Sernftal, das bei der nächsten Etappe drankommt. Ein Blick auf mein Fahrplänchen sagt mir, dass mein Zug in vier Minuten fährt… Nichts wie los! Natürlich habe ich den noch erwischt. Ich kann bis Rapperswil sitzen bleiben. Der Ausflug hat sich gelohnt.